Eisprotze von 1924


Typ:                      
Eigenbau
Leergewicht:         600kg
Nutzlast:
              900kg
Gesamtlänge:
       3,14m
Ladefläche:           1,53m x 1,15m
Höhe:                    1,6m
 

 

Bevor elektrische Kühltechnologie für Kleinbetriebe verfügbar war, unterhielten Brauereien künstlich angelegte Eisweiher für die Gewinnung von Eis. Die natürliche Eisschicht wurde von Hand gesägt oder gebrochen und die Eisschollen in tiefen Felsenkellern über den Sommer gelagert. Insbesondere untergäriges Bier (das hauptsächlich in Süddeutschland, Bayern, Österreich und der Schweiz gebraut wird) benötigt 6-10°C. Es konnte daher nur in der kalten Jahreszeit produziert werden. Damals wurde im März („Märzenbier“) noch einmal kräftig untergärig eingebraut. Aufgrund seiner guten Lagerungseigenschaften („Lagerbier“) konnte das Bier in den eisgefüllten Felsenkellern bis zum folgenden Herbst gelagert werden und wurde an den Volksfesten getrunken. Heute sind die meisten Eisweiher verschwunden; entweder sie wurden aufgefüllt oder sie werden anders genutzt.


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Historische Aufnahmen wie früher das Eis geschlagen wurde.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ehemaliger Eisweiher der Brauerei Warteck in Gelterkinden, heute ein Naturschutzgebiet.


Unentbehrliches Kühlmittel für Brauereien                               Historische Eistransporte bei der Südostbahn

Natureis ist lange Zeit ein unentbehrliches Kühlmittel gewesen. Zu den bedeutendsten Verbrauchern gehörten die Brauereien. Zwar hatte der deutsche Ingenieur Carl von Linde bereits 1872 eine Kältemaschine erfunden, die zur Herstellung von Kunsteis diente und bald bei grösseren Unternehmen Eingang

 

Natureis ist lange Zeit ein unentbehrliches Kühlmittel gewesen. Zu den bedeutendsten Verbrauchern gehörten die Brauereien. Zwar hatte der deutsche Ingenieur Carl von Linde bereits 1872 eine Kältemaschine erfunden, die zur Herstellung von Kunsteis diente und bald bei grösseren Unternehmen Eingang fand. Die allermeisten Betriebe allerdings - in der Schweiz gab es um 1880 herum etwa 530 Brauereien - waren weiter auf das in Blöcke zersägte Natureis angewiesen; dieses lagerten sie bis in den Sommer hinein in besonderen Räumen, den Eiskellern, und belieferten damit ihre Kunden, namentlich Gaststätten und Verkaufsgeschäfte.

 

Die «Eiserei» in Rothenthurm

Als Eislieferanten dienten Weiher und kleinere Seen; so wurde, um zwei Beispiele zu nennen, schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts auf dem Lauerzersee im Kanton Schwyz und auf dem Klöntalersee im Glarnerland Eis gesägt. Diese Arbeit verschaffte den Einheimischen, vor allem den Bauern, während der Winterszeit einen willkommenen Nebenverdienst. An einzelnen Orten entwickelte sich ein eigentliches Saisongewerbe. Typisches Beispiel ist das im Kanton Schwyz auf einer Hochebene (923 m) und in einer Moorlandschaft von nationaler Bedeutung gelegene Dorf Rothenthurm. Die dortige Genossame (Korporation) liess 1901 im Bereich Unterdorf auf sumpfigem Gelände unweit des Bahnhofes Staudämme erstellen. Vor Einbruch der Kälte wurde das 7000 Quadratmeter grosse Areal mit Wasser der Biber überschwemmt, damit sich zwei Weiher bilden konnten. Eis war schon früher auch in den umliegenden Dörfern gewonnen worden, deckte jedoch nur den Lokalbedarf.

 

Mit der Ausbeute konnte bereits am 25. Januar 1902 begonnen werden. Die Weiher waren bis zu zwei Meter tief. Sobald das Eis eine Dicke von 20 bis 25 Zentimetern erreicht hatte, wurde die Eisdecke in der Mitte geöffnet. Männer schnitten mit grossen Sägen - für viele war in dieser waldreichen Gegend das Sägen vom Holzfällen her eine gewohnte Tätigkeit - quadratische Blöcke von 60 cm Kantenlänge heraus, schoben sie mit Flösserhaken zum Weiher-Ende und brachten sie mit Pferdeschlitten zum Bahnhof.

Ein Zustupf für die SOB

Die Eisgewinnung, das «Ischä», war natürlich von der Witterung abhängig. Die grösste Ausbeute wiesen die Jahre 1911 und 1912 mit 13 000 Tonnen Eis auf; dabei standen bis zu 130 Mann im Einsatz. Ende der 1940er Jahre ging mit der zunehmenden Verwendung der modernen Eismaschinen und Kühlanlagen der Verbrauch von Natureis laufend zurück. Die Produktion betrug 1959 noch knapp 1000 Tonnen, so dass die Eisherstellung im Winter 1959/60 aufgegeben wurde. Sie hatte für die Genossame Rothenthurm als Eigentümerin des Areals während der guten Jahre den bedeutendsten Einnahmenposten dargestellt; 1959/60 schloss die Eisrechnung noch mit einer Mehreinnahme von 695 Franken ab. Die meisten der 40 bis 50 zuletzt in der Eiserei beschäftigten Arbeiter fanden ein ganzjähriges Einkommen in der inzwischen angesiedelten Holzindustrie. Durch Drainage des Geländes mit den Eisweihern entstand wertvolles Wiesland.

 

Der Transport der Eisblöcke bildete für die Südostbahn (SOB) eine zusätzliche Einnahmenquelle. Ihre Anfänge, ursprünglich von einer Zürichsee-Gotthardbahn-Gesellschaft als Zubringerlinie von Rapperswil nach Brunnen geplant, gehen auf die 1877 eröffnete Wädensweil-Einsiedeln-Bahn zurück. Diese fusionierte 1889 mit der SOB, die den 1878 in Betrieb genommenen Abschnitt Rapperswil-Pfäffikon bis 1891 nach Arth- Goldau verlängerte. Das Unternehmen, das schon früh Spezialitäten wie Pilgerzüge nach Einsiedeln oder Torftransporte ab Rothenthurm führte, zeichnete sich wiederholt durch weitsichtige Massnahmen aus. So führte die SOB schon in den 1930er Jahren für die Skifahrer direkte Wagen von Zürich nach Einsiedeln ein oder schuf 1947, zusammen mit der Bodensee-Toggenburg-Bahn, den die Ostschweiz mit der Zentralschweiz verbindenden Voralpenexpress. Seit 2002 sind die beiden Bahnen zur neuen Schweizerischen Südostbahn zusammengeschlossen, die jährlich zehn Millionen Passagiere transportiert und ein Netz von 102 Kilometern betreibt.

Hundert Kilogramm Eis für 75 Rappen

Für die Beförderung von Eis setzte die SOB gedeckte Güterwagen ein. Diese wurden in der Regel mit 10 Tonnen beladen. Die Transportmenge hing sowohl von der Ausbeute als auch von den Bestellungen ab; sie bewegte sich von wenigen Tonnen bis zu 500 Tonnen im Tag, und dementsprechend schwankte auch die Anzahl der mit Güter- oder ausnahmsweise mit Extrazügen beförderten Wagen. Empfänger waren vor allem Brauereien sowohl in der näheren und weiteren Umgebung als auch in den grösseren Städten. Die besten Ergebnisse erzielte die SOB in den Jahren 1911 und 1912 mit maximal 49 Wagen im Tag beziehungsweise 1300 in der Saison.

Wie sich der Aufwand für einen Wagen mit 10 000 Kilogramm Eis zusammensetzte, gibt die Kalkulation der Winterthurer Brauerei Haldengut vom 22. Januar 1913 wieder.

 

«Preis des Eises von Schuler Rothenthurm für das Depot Grynau (Uznach):

12 Waggon Eis à 10 000 kg zu Fr. 24.- = Fr. 268.-;

Fracht hierauf zu Fr. 29.- pr 10 000 kg = Fr. 348.-;

Waaggebühren à Fr. 1.50 pr 10 000 kg = Fr. 18.-;

2½ Tage je 3 Fuhrwerke à Fr. 20.- (Abfuhr) = Fr. 150.-;

6 Arbeiter à Fr. 6.- während 2½ Tagen = Fr. 90.-;

1 Vorarbeiter Fr. 8.- während 3 Tagen = Fr. 24.-.

Total Fr. 898.- : 12 = ca. Fr. 75.- per 10 000 kg/1 Waggon.»

 

Der Verzicht auf die Eisausbeute in Rothenthurm bedeutete auch das Ende der Eistransporte der SOB; der letzte mit Eis beladene Wagen soll Ende Februar 1960 für das Depot einer Zürcher Brauerei bestimmt gewesen sein. Auch andere Schweizer Bahnen beförderten Natureis. Besondere Bedeutung hatten diese Transporte für den 1886 eröffneten Chemin de fer Le Pont-Vallorbe, an dessen Entstehung die sieben Jahre zuvor gegründete Gesellschaft zur Eisgewinnung aus den Seen im Vallée de Joux massgebend beteiligt war. Dieses Unternehmen besass in Le Pont eine 50 Meter lange und 26 Meter breite Lagerhalle. Die Bahn transportierte jährlich bis zu 3000 Wagen Eis, das dank seiner hohen Qualität bis nach Genf, Lyon und sogar Paris gelangte. Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg stellte man die Gewinnung von Eis ein, dies ebenfalls als Folge der Verwendung von maschinell hergestelltem Eis.

 

* Der Autor war einer der Mitgründer und erster Direktor des Schweizerischen Verkehrshauses in Luzern.

Quelle Bericht: NZZ